kulturbunt auf neuen Wegen
Wir sind bekannt für ziemlich verrückte Aktionen: Lokomo-Litera-Tour im fahrenden Zug, Lesung im Gewächshaus, Venezianische Nacht mit Gondel am Weiher, Lampionfest an der chinesisch-hammelburgischen Mauer, Fahrradkino, Roadmovie in der Reifenwerkstatt oder „Der Mann der Friseuse“ im Frisörsalon, verschneites Open-air Kino im November und Klein-Montmartre am Mönchsturm.
Mit der neuen Aktion „Mail-Art“ wollen wir möglichst weltweit auf den Bocksbeutel aufmerksam machen. Der ist nämlich Thema der Kunstaktion. Anlass dafür ist die 1300-Jahr-Feier der Stadt Hammelburg. Sie hatte sich von allen Vereinen Aktionen zum Fest gewünscht.
Der Bocksbeutel
Wir haben Künstler aus der ganzen Welt aufgerufen, selbst gefertigte Postkarten zum Thema Bocksbeutel per konventioneller Post nach Hammelburg zu senden. Hammelburg als älteste Weinstadt Frankens ist bekannt für seine Weine – der Bocksbeutel als Thema einer Ausstellung passt deshalb ideal nach Hammelburg. Ob seine Form wohl Menschen zu künstlerischen Aktionen inspirieren würde?
Ja! Das Thema war frei interpretierbar – alle Techniken waren willkommen, ob Collage, Zeichnung, Malerei oder Fotografie. Auch Objekte – wenn sie mit der Post geschickt wurden - sind dabei.
Überwältigende Resonanz
Mehr als 300 Menschen aus über 100 Ländern sind der Einladung gefolgt und haben sich an dem von uns initiierten Projekt zum Thema „Bocksbeutel“ beteiligt. Ausstellungskurator Roland Halbritter übernahm den professionellen Part und fungierte als Empfänger. Er bekam u.a Post aus Japan, Australien und Südamerika, aus Finnland und Südafrika. 809 Karten landeten in seinem Briefkasten. Zu den originellsten Kunstwerken zählt ein eingeschweißtes Wirsingblatt in Bocksbeutelform oder ein Bocksbeutelkalkulator. Aus Amerika kamen Käferbilder - was ihn anfangs irritierte. Bis er verstand, dass die Amerikaner den „Bock“ als „Bug“ – Käfer - aussprechen.
Der Phantasie waren also keine Grenzen gesetzt, was die Darstellung des Themas betrifft. Auch Box-Beutel sind als Motiv vertreten. Viele Karten sind auf der Rückseite mindestens genauso liebevoll gestaltet wie auf der Vorderseite. Manche Teilnehmer haben über 40 Karten geschickt, oft mit Widmung und guten Wünschen für den Erfolg der Aktion.
Kunst vom Briefträger
Mail Art ist eine interessante und sehr originelle Kunstrichtung. Bereits ab den 60er Jahren haben Künstler wie Ray Johnson damit experimentiert. Mail Art als demokratische, spontan und aktuell auf Zeitgeschehen reagierende Kunstform entwickelte sich zuerst in den USA und kam wenig später auch nach Europa. Als soziales und politisches Medium war Mail Art ein Mittel des Widerstands in den Diktaturen Lateinamerikas und Osteuropas. Mail Art findet nicht in den üblichen Kunststätten wie Galerien oder Museen statt, sie ist nur schwer kontrollierbar.
Kunst per Post lebt von der Korrespondenz von Künstlern aus aller Welt. Sie versenden künstlerisch gestaltete Postkarten, Briefe oder Gegenstände und kommunizieren auch untereinander zu einem bestimmten Thema.
Ob gezeichnet, gemalt, fotografiert, gestickt, als Collage, auf Holz, Wellpappe, auf einer Spielkarte, eingeschweißt in Folie - die Vielfalt der Ideen ist umwerfend. Auch der Umschlag gehört zum Kunstwerk und wird entsprechend gestaltet. Oft kommen noch Künstlerbriefmarken (Artistamps) und eigens angefertigte Stempel dazu.
Ausstellung – Von Box-, Rocks- und Bocksbeuteln
Die Hammelburger Mail-Art ist aber weit entfernt von den politischen Anfängen. kulturbunt hat den Bocksbeutel als unterfränkischen Sympathieträger ausgewählt und in die Welt geschickt, um mit Menschen in allen Erdteilen zu kommunizieren und zu schauen, was diese daraus machen. Was dabei an originellen Ideen herauskam, ist in der wirklich sehenswerten Ausstellung zu betrachten.
Entsprechend den Mail Art-Grundregeln: „No jury – no fee – no return – documentation to all participants“ (keine Jury, keine Gebühr, keine Rücksendung, Dokumentation für alle Teilnehmenden) werden die eingesandten Beiträge von allen Teilnehmenden gezeigt, egal ob sie professionelle Künstler oder Hobbyakteure sind. Roland Halbritter hat die Aktion im Internet (http://bocksbeutel-mail-art.blogspot.de) und auf 50 Artistamps-Bögen dokumentiert. Dazu erscheint ein Katalog mit allen Einsendungen.
Zu sehen ist die Ausstellung in der ehemaligen Schreinerei Heinickel, am neugestalteten Viehmarkt Nr. 4 in Hammelburg vom 4. Juni bis 17. Juli 2016.
Die Besucher können die Karten anfassen und zum Betrachten und Lesen umdrehen. Mail Art lässt damit keine Berührungsängste vor Kunst aufkommen!
Danach soll die Ausstellung auf Wanderschaft durch Unterfranken gehen.
Und hier geht es zu den Presseartikeln:
Bocksbeutel-Post zum Hammelburger Jubiläum - Saale-Zeitung 5.1.16
Mail Art: Heimische Künstler noch zurückhaltend - Main-Post 16.10.2015
Kunstaktion zum Hammelburger Stadtjubiläum - Main-Post, 22.6.15